10. Kölner Frauenparlament

Die Podiumsdiskussion

Frauen fragen nach!

Ca. 30 engagierte Frauen kamen am 16. September 2009 auf Einladung von Bezirksbürgermeister Jürgen Kircher (SPD) ins Bezirksrathaus Chorweiler zur Podiumsdiskussion mit den Politikerinnen des Frauenparlamentes, die sich zu den Forderungen vom 26. Februar 2009 äußerten und von Erfolgen und Hindernissen berichteten.

Auf WorringenPur.de ist ein Bericht dazu erschienen: worringenpur.de: Podiumsdiskussion.

Es war ein sehr informativer Abend, denn es sprachen Ursula Heinen (CDU) und Kerstin Müller (B'90/Grüne) für die Bundesebene, Ingrid Hack (SPD) und Andrea Asch (B'90/Grüne) für die Ebene des Landes, Hildburg Holländer (CDU) für die Ebene des Stadtrates und für die bezirkliche Ebene Katharina Reiff (CDU) und Cornelie Wittsack-Junge (B'90/Grüne). Sie brachten die Beschlüsse des diesjährigen Frauenparlamentes in Bezug zu Höhen und Tiefen ihrer jeweiligen parlamentarischen Arbeit und zeigten auf, dass Politikerinnen trotz Meinungsverschiedenheiten für die Sache der Frauen durchaus auch parteiübergreifend zusammenarbeiten.

Den Anfang machte die Landesebene mit Andrea Asch (B'90/Grüne). Sie ist nicht nur Mitglied im Landtag NRW, sondern auch Sprecherin der Grünen Fraktion im Landschaftsverband Rheinland, der übrigens mehr Dezernentinnen als Dezernenten hat. In Hinblick auf die Forderung ‚Quotenregelung und Frauenförderung in Aufsichtsräten und Führungsetagen’ (Arbeit Nr. 6) wies sie als Mitglied des Aufsichtsrats der Provinzial Rheinland Versicherung jedoch darauf hin, dass es im Vorstand dieser AG nur eine Frau gibt. Vielen weiteren Forderungen des diesjährigen Frauenparlaments konnte sie ebenfalls zustimmen, in ihrem Redebeitrag konzentrierte sie sich aber besonders auf die Punkte, die Kinder betreffen, und berichtete von dem breiten Protest gegen das neue Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz), bei dem es um mehr Qualität durch bessere Personalschlüssel, längere Öffnungszeiten etc. geht.

Ebenfalls Mitglied des Landtages NRW ist Ingrid Hack (SPD). Bezug nehmend auf die Forderung ‚Bessere Information über ehrenamtliche Hilfestellung …’ (Lebensraum Nr. 5) wies sie darauf hin, dass Ehrenamt gerade auch ein Thema für Frauen sei und immer noch zu wenig wertgeschätzt werde. Dann sprach sie als Mitglied der bildungspolitischen Landes-Enquete-Kommission ‚Chancen für Kinder’ (Abschlussbericht als Download) zu einigen Beschlüssen des Frauenparlaments aus dem Themenbereich Bildung. So sei es richtig, dass bei der Sprachförderung Deutsch nicht ausreiche, es gehe auch um die Muttersprache. Als Verbesserung konnte bei den Sprachtests erreicht werden, dass die Erzieherinnen stärker einbezogen werden, denn die prüfenden Grundschullehrerinnen kennen die Kinder ja noch nicht. Für mehr Qualifizierung und bessere Bezahlung des Kita-Personals habe es einen Antrag im Landtag gegeben; diese Forderung dürfe nicht gegen die Forderung nach Beitragsfreiheit von Kindergärten ausgespielt werden.

In der anschließenden Teilnehmerinnen-Runde zu den Beiträgen der beiden Landespolitikerinnen ging es um Aspekte der Sprachförderung (Deutsch, Englisch, Muttersprache) im Kindergarten. Die Politikerinnen antworteten: Die Muttersprache der Kinder mit Zuwanderungshintergrund wird im gesamten Bildungssystem nicht wertgeschätzt, dabei ist sie eine Kompetenz (Andrea Asch), einmal in der Woche Englischunterricht in einem rein deutschsprachigen Kindergarten bringt nicht viel – dies hat die Enquete-Kommission ergeben, Erzieherinnen benötigen Qualifikationen zum Thema ‚Deutsch als Zweitsprache’ (Ingrid Hack).

Weiter ging es mit der Bundesebene. Kerstin Müller (B'90/Grüne) schloss an die vorhergehende Diskussion mit der Forderung an, dass die multikulturelle Förderung sich durch alle Schulformen ziehen müsse. Außerdem ging sie auf den Punkt 5 des Bereichs Bildung, ,Gemeinsamer Unterricht aller Kinder bis zur 6. Klasse’, ein, dies werde in Hamburg mit einer schwarz-grünen Regierung eingeführt. Den Schwerpunkt ihres Redebeitrags legte sie jedoch beim Bereich Arbeit, aus dem sie alle 10 Punkte unterstützt. Besonders zu Punkt 3, ‚Gesetzliche Mindestlohngarantie’, führte sie aus, dass Arbeit Existenz sichernd sein muss. Ein gesetzlicher Mindestlohn müsse bei 7,50 Euro liegen. Damit wäre auch vielen Frauen geholfen, denn ein Großteil der Frauen verdiene unter 5,- Euro und viele Frauen müssen aufstockend ALG II beziehen. Bezug nehmend auf die Forderung ‚Quotenregelung und Frauenförderung in Aufsichtsräten und Führungsetagen’ (Arbeit Nr. 6), berichtete sie, dass schon zweimal Gesetzesentwürfe in den Bundestag eingebracht worden sind, die eine 40%-Quote nach norwegischem Vorbild mit Sanktionen bis hin zum Verbot der Börsennotierung beinhalteten.

Das andere Bundestagmitglied an diesem Abend, Ursula Heinen (CDU), ist gleichzeitig Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Daher stellte sie die Forderung ‚Mehr einheimische Gehölze für Plätze und Grünanlagen’ (Lebensraum Nr. 6) besonders heraus. Schwerpunkt ihres Redebeitrags war jedoch ebenfalls der Themenbereich Arbeit. Zum Punkt 1, geschlechtergerechte Bezahlung, sagte sie: „da müssen wir kämpfen“. Der Gehaltsunterschied liegt in Deutschland mit 23% über dem EU-Durchschnitt von 18% und gerade auch im öffentlichen Dienst werden Frauen gerne in andere Tarifgruppen eingeordnet. In Hinblick auf die 1-Euro-Jobs (Punkt 2) wartet sie die Evaluierung ab. Ziel sei es, Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Problematisch seien jedoch die Konkurrenz zur Privatwirtschaft und die Frage der Existenzsicherung von Arbeit. Einem einheitlichen Mindestlohn (Punkt 3) steht sie skeptisch gegenüber und fordert stattdessen branchenspezifische Mindestlöhne, z.B. auch, um nicht Tarifverträge mit höheren Mindestlöhnen zu unterlaufen. Der Forderung nach Beitragsfreiheit von Kindergärten (Punkt 4) schloss sie sich voll an. Es ist eine alte Forderung der jungen CDU-Abgeordneten, das Problem liege jedoch in der Finanzierung. Zumindest das letzte Kita-Jahr sollte jedoch auch nach Ansicht der CDU beitragsfrei sein. Zum Thema ‚Quotenregelung und Frauenförderung in Aufsichtsräten und Führungsetagen’ (Punkt 6) hat Ursula Heinen in den Diskussionen der letzten (Bundestagswahlkampf-)Wochen angefangen umzulernen – ihr Standpunkt: „Es muss von oben mehr Frauen in Führungspositionen geben, damit es auch weiter unten mehr gibt.“

Im Anschluss an die Beiträge der beiden Bundespolitikerinnen ging es in den Fragen der Teilnehmerinnen besonders um die Auswirkungen der Schuldenkrise auf Bildung und Soziales. Ursula Heinen äußerte dazu, dass bei Bildung und Forschung nicht gespart werden könne, sonst sei nicht aus der Krise nicht heraus zu kommen. Die tatsächlichen Kosten der Krise seien ja noch nicht bekannt, es handele sich ja auch um Bürgschaften. Nach Beendigung der Krise gebe es wieder Steuermehreinnahmen, ‚naturgemäß’ mehr bei den Besserverdienenden. Auch für Kerstin Müller ist Sparen in der Krise kontraproduktiv. Zur Finanzierung der Kosten der Krise erinnerte sie an Grüne Forderungen: Einführung eines Bildungssolis und Abschmelzung des Soli-Ost.

Aus Sicht der Stadtratsebene sprach dann Hildburg Holländer (CDU) zu ausgewählten Beschlüssen. So wies sie darauf hin, dass die CDU in Köln auf dem dreigliedrigen Schulsystem besteht (Bildung Nr. 5), die Landesregierung viele LehrerInnen zusätzlich eingestellt hat (Bildung Nr. 2) und ein tägliches kostenloses Mittagsessen für alle Kinder (Armut und Soziales Nr. 7) Aufwand ist und Geld kostet, die Stadt könne das nicht für alle bezahlen, aber unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen fördern. Zur Forderung ‚Bessere Information über ehrenamtliche Hilfestellung …’ (Lebensraum Nr. 5) merkte sie an, dass gerade am Sonntag wieder der Kölner Ehrenamtstag im Rheinpark stattgefunden habe, der auch viele Infos zu den Möglichkeiten sich zu engagieren geboten habe, und zur Beitragsfreiheit von Kindergärten (Arbeit Nr. 4), dass in Köln das letzte Kindergartenjahr demnächst beitragsfrei sein werde! Aus dem Bereich Lebensraum ging sie auf die Forderung ‚Regelmäßige Ordnungsmaßnahmen (inkl. Verhängung von Bußgeldern) zur Reduzierung von Hundekot im öffentlichen Raum’ (Punkt 1) mit dem Hinweis ein, dass das Problem die Überwachung der Ordnungswidrigkeiten sei und bestätigte die Wichtigkeit der Forderung Nr. 6 ‚Mehr einheimische Gehölze für Plätze und Grünanlagen’.

In der darauf folgenden Teilnehmerinnen-Runde zu den Themen der Stadt Köln ging es besonders um die Umsetzung der offenen Ganztagsschule, für die noch nicht alle erforderlichen Umbaumaßnahmen abgeschlossen sind und bei der bildungsferne Kinder durch das Raster fallen könnten.

Den Anfang aus der Sicht der Bezirksvertretung machte Katharina Reiff (CDU), gleichzeitig auch Mitglied der Stadt-Seniorenvertretung. Sie legte den Schwerpunkt im Themenbereich Armut und Soziales. So konnte sie dem Punkt 1, ‚ÖPNV: Bezahlbare Tarife im ÖPNV, Beibehaltung der bestehenden Bushaltestellen’, nur zustimmen und ergänzte die Forderung noch um Erweiterung der Fahrtzeiten, denn z.T. verkehrten die Busse nur noch 1- oder 1,5-stündlich. Der Punkt 2, ‚Mitmenschlichkeit: Achtung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, Achtung gegenüber Menschen mit Behinderungen’, ist ihr aufgrund ihrer christlichen Erziehung eine Selbstverständlichkeit. In Hinblick auf Punkt 3, ‚Geförderte Seniorinnen-Wohnprojekte’, betonte sie, wie gut es sei, dass die GAG noch in städtischer Hand sei, denn sie bringt viele SeniorInnen-Wohnprojekte auf den Weg. Sie stellte sich außerdem hinter die Forderung 4, ‚Seniorinnen und Senioren den Gang zum Sozialamt erleichtern, SeniorInnenführer des Stadtbezirks verbessern (Verständlichkeit, kostenfreie Anzeigen)’, und hob zu Punkt 5, ‚Armut von Rentnerinnen und Rentnern, GEZ-Gebührenbefreiung bei geringem Einkommen’, hervor, dass es viel versteckte Armut gebe, denn die Menschen bekennen sich nicht dazu. Daher fordere die Seniorenvertretung, dass die GEZ-Gebühren gesenkt oder aufgehoben werden.

Ebenfalls Mitglied der Bezirksvertretung Chorweiler ist Cornelie Wittsack-Junge (B'90/Grüne). Gleich zu Beginn ihres Beitrags nahm sie Bezug auf die Forderung nach mehr einheimischen Gehölzen für Plätze und Grünanlagen (Lebensraum Nr. 6) und merkte an, dass dies ständige Forderung bei allen Ausgleichsmaßnahmen sei. Sie ging auch auf die ÖPNV-Forderungen aus dem Bereiche Armut und Soziales (Punkt 1) ein und betonte, dass nur das Zentrum von Köln gut erschlossen sei und dass bei S-Bahnhöfen an sozialen Brennpunkten mehr soziale Kontrolle möglich sein müsse, die besonders auch für Frauen wichtig sei. Sie forderte wie Katharina Reiff bessere Taktzeiten und außerdem eine bessere Abstimmung von Bus und S-Bahn bzw. Straßenbahn. Zu der Forderung ‚Streetworker und Jugendtreffs für 13- bis 18-Jährige …’ (Lebensraum Punkt 2) führte sie aus, dass dies ein Schwerpunkt ihrer BV-Arbeit sei, denn es gebe nur drei Streetworker für den ganzen Bezirk, der der zweitgrößte Flächenbezirk in Köln sei, so dass Stadtteile unterversorgt sind. Den Punkt 3 im Bereich Lebensraum, ‚Frühzeitige Einbindung der AnwohnerInnen in die Planung und Gestaltung öffentlicher Räume / Infrastruktur’ ergänzte sie dahingehend, dass mehr Bürgerbeteiligung auch bei den Alarm- und Katastrophenplänen erforderlich sei, damit bessere Ortskenntnisse einfließen können – der Chemiewerk-Brand in Worringen habe dies besonders gezeigt. In Bezug auf den Beschluss ‚Verstärkte Information der BürgerInnen im Bereich Umweltschutz und Nutzung erneuerbarer Energien im Wohnungsbau’ (Lebensraum Nr. 4) berichtete Cornelie Wittsack-Junge von der Forderung einer wohnortnahen Umweltberatungsstelle.

Schwerpunkt der anschließenden Teilnehmerinnen-Runde zu Stadtbezirksthemen war das häufig negative Bild von Chorweiler in den Medien. Cornelie Wittsack-Junge berichtete von einem BV-Antrag dazu, denn sogar in einem Schulbuch war der Stadtbezirk falsch dargestellt – zu häufig wird er mit bestimmten Stadtteilen identifiziert.

In ihrem Schlusswort griff Maria Grote den Appell von Andrea Asch auf, dass es zwar unterschiedliche Meinungen gebe, Frauen aber über alle demokratischen Parteien hinweg zusammenarbeiten müssen und fasste zusammen: „Es geht langsam, aber es geht voran!“


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